Tanken vs Laden – 2 Vorgänge im Vergleich
„Lange Ladezeiten bei Elektrofahrzeugen will niemand in Kauf nehmen.“
„Tanken, das beansprucht deutlich weniger Zeit.“
„Dieses Laden setzt sich niemals durch.“
Solche oder ähnliche Aussagen bekomme ich bei den Diskussionen zur Elektromobilität immer wieder zu hören.
Was sind die Gründe für die unterschiedlich langen Tank- bzw. Ladezeiten der verschiedenen Technologien und wie unterscheidet sich das „Laden von elektrischer Energie“ und das „Tanken von Kraftstoff“? Schon beim Lesen der Begrifflichkeiten lässt sich ein Unterschied erahnen. Gehen wir dem Begriff „Tanken von Kraftstoff“ auf die Spur. Warum bezeichnet man den „Tankvorgang“ beim Kraftstoff nicht als „Ladevorgang“? Gleiches gilt umgekehrt: Warum wird nicht vom „Tanken von elektrischer Energie“ gesprochen, sondern vom „Laden von elektrischer Energie“?
Tanken von Kraftstoff
Schauen wir uns den Vorgang beim Tanken von Kraftstoff an der Zapfsäule im Detail an. Was passiert während des Vorgangs und wie ist eine Tankstelle für Kraftstoff aufgebaut? Beginnen wir mit dem Aufbau. Im Erdreich verborgen befindet sich unterhalb der Zapfsäule ein Vorratstank, in dem Kraftstoff für eine gewisse Zeitperiode vorgehalten werden kann. Damit können dann eine Vielzahl an PKWs oder LKWs betankt werden. Bei Großtankstellen können diese Tanks ein Fassungsvermögen von 400.000 bis 500.000 Litern aufweisen.
An der Zapfsäule wird der Tankvorgang gestartet, indem die Zapfpistole in den Tankstutzen des Fahrzeuges gesteckt wird. Nach erfolgter Betätigung des Pistolengriffs beginnt die Kraftstoffpumpe der Zapfsäule zu pumpen. Aus dem unterirdischen Vorratstank wird Kraftstoff in den Kraftstofftank des Fahrzeugs gefördert. Vereinfacht ausgedrückt wird während des „Tankvorgangs“ mittels einer Pumpe aus einem Tank Kraftstoff in einen anderen Tank gepumpt. Es findet an dieser Stelle keine Energieumwandlung statt. Der Kraftstoff wird lediglich von einem „großen“ Tank in einen „kleinen“ Tank gefördert. Die gängige Fördergeschwindigkeit solcher Kraftstoffpumpen beträgt ca. 35 l/min (Quelle).
Im nächsten Schritt wollen wir die Zeitdauer des Tankvorgangs bestimmten. Als Grundlage für die Berechnung der Dauer des Vorgangs lege ich die Tankgröße eines VW Golf 8 zu Grunde. Der Tankinhalt des Golfs beträgt 55 Liter (Quelle). Da der Tank meistens nicht vollständig entleert ist, ziehe ich eine Reserve von 5 Litern ab. Dadurch ergibt sich ein zu betankendes Volumen von 50 Litern. Die Zeitdauer für die Betankung des Fahrzeuges berechnet sich wie folgt:
Die Tankdauer an der Kraftstofftankstelle ist mit knapp 1 Minute und 26 Sekunden sehr kurz. Innerhalb von nur 86 Sekunden ist es möglich, den Tank mit 50 Litern zu befüllen, wenn man eine konstante Fördergeschwindigkeit von 35 l/min zu Grunde legt.
Viel interessanter ist an dieser Stelle die Menge an Energie, die innerhalb eines Tankvorgangs in den Kraftstofftank des Fahrzeuges gepumpt wird. Um diese zu berechnen, muss man den Energieinhalt pro Liter Diesel kennen. Die entsprechende Information bzw. Berechnung kann meinem Beitrag „Reicht die Energie aus“ entnommen werden.
Der Energietransfer pro Tankvorgang kann wie folgt berechnet werden:
Dies bedeutet, dass nach einem abgeschlossenen Tankvorgang 490 kWh oder, deutlicher ausgedrückt, 0,49 MWh an Energie ins Fahrzeug transferiert wurden! Innerhalb von knapp eineinhalb Minuten ist der Tank des Fahrzeuges mit einer halben Megawattstunde an Energie gefüllt! Diese Zahl ist in meinen Augen beeindruckend und zeigt nochmals deutlich, wieviel Energie in einem Liter Diesel bzw. im Tank eines KFZs steckt. Zum Vergleich: Ein Zweipersonen-Haushalt benötigt 2000 – 3500 kWh an elektrischer Energie pro Jahr. Das heißt auch: Mit nur einer Tankfüllung wird 1/4 bzw. 1/7 der Energie getankt, die ein Zweipersonen-Haushalt im Jahr an elektrischer Energie verbraucht.
(Hinweis: Umwandlungsverluste, um die getankte Menge Diesel in elektrische Energie umzuwandeln, sind hier nicht betrachtet.)
Laden von elektrischer Energie
Kommen wir zum „Laden von elektrischer Energie“ bzw. zum „Laden eines Elektroautos/Energiespeichers“. Beginnen wir bei der Wortherkunft des Begriffes „Laden“. Der Homepage duden.de kann die Wortherkunft entnommen werden: Laden leitet sich vom altdeutschen Begriff „ladan“ ab, was als ein Aufschichten zu verstehen ist. Diese Bedeutung beschreibt sehr treffend den Vorgang, der während des Ladevorgangs einer Lithium-Ionen-Batterie stattfindet. Wie in meinem Beitrag „Eigenschaften der Graphit-Elektrode“ beschrieben, werden beim Ladevorgang Lithium-Ionen durch Reduktion in das Graphitgitter interkaliert. Dieser Vorgang findet in diesem Fall geschichtet statt. Beginnend bei den äußeren Graphitschichten, werden Lithium-Ionen bzw. -Atome schichtweise in das Graphitgitter interkaliert.
Bereits mit der Erläuterung der Wortherkunft ist der erste Unterschied zwischen einem „Tankvorgang“ und einem „Ladevorgang“ deutlich zu erkennen. Während beim Tanken ein Pumpen des Kraftstoffes erfolgt, passiert beim Ladevorgang einer Lithium-Ionen-Batterie ein Schichten von Ionen bzw. Atomen.
Fahren wir mit der Erklärung des Ladevorgangs fort. Fährt ein Elektroauto an eine Ladesäule, so befindet sich hier unterirdisch kein großvolumiger Kraftstofftank, sondern die Ladesäule ist direkt mit dem elektrischen Stromnetz verbunden. Dieses Netz stellt die elektrische Energie für den Ladevorgang bereit. Wird der Ladestecker in die vorgesehene Ladebuchse des Elektrofahrzeuges gesteckt, wird nach erfolgter Prüfung der Ladevorgang zwischen Ladesäule und Elektroauto gestartet.
Zuerst wird durch die Ladesäule eine Spannung angelegt, die der Akkuspannung entspricht, und nach erfolgter Freigabe fließt ein Strom von der Ladesäule in den elektrochemischen Energiespeicher des KFZs. Diese elektrische Energie kann aber aufgrund der physikalischen Eigenschaften nicht wie in einem Tank in direkter Form im Elektroauto gespeichert werden, sondern sie muss im elektrochemischen Energiespeicher umgewandelt werden. Es findet, wie es der Name schon erahnen lässt, eine Umwandlung von elektrischer Energie in chemische Energie statt. Das bedeutet, dass ein Ladevorgang an einer Ladesäule einer Energieumwandlung (elektrische in chemische Energie) entspricht. Im Gegensatz dazu findet bei einem Tankvorgang keine Energieumwandlung statt.
Nun berechnen wir, entsprechend dem Tankvorgang an der Kraftstofftankstelle, auch für den Ladevorgang an der Ladesäule die Zeitdauer. Als Beispiel für den Energieinhalt des Akkumulators des Elektrofahrzeuges lege ich den Volkswagen ID3 zu Grunde, da er das vollelektrische Pendant zum Golf ist. Der elektrochemische Energiespeicher des ID3 hat laut Herstellerangabe einen nutzbaren Energieinhalt von 58 kWh. Da, wie auch beim Verbrenner, der Tank bzw. der Energiespeicher meist nicht vollständig entladen wird, rechne ich vereinfacht mit einem Energieinhalt von 50 kWh, welcher noch geladen werden muss.
Im Gegensatz zur Kraftstofftankstelle gibt es bei den Ladesäulen in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit unterschiedliche Technologien und somit unterschiedliche Ladegeschwindigkeiten, die für den Ladevorgang zur Verfügung gestellt werden. So wird hier zwischen Laden mit Wechselstrom (AC-Laden, meist zuhause an der Wallbox) und mit Gleichstrom (DC-Laden) unterschieden. Zwischen den beiden Technologien gibt es deutliche Unterschiede bei der Ladeleistung. Für die Umrechnung der Zeitdauer werden sowohl das AC-Laden als auch das DC-Laden betrachtet, wobei ich hier die jeweils maximale Angabe der Ladeleistung des Herstellers zu Grunde lege. Laut VW ist es möglich, den ID3 mit 11kW AC (Quelle) und mit 100kW DC zu laden (Quelle).
In Abhängigkeit von der verfügbaren Ladeinfrastruktur ist es möglich, den elektrochemischen Energiespeicher des ID3 innerhalb von ca. 4 Stunden und 33 Minuten (AC-Laden) oder von 30 Minuten (DC-Laden) zu laden.
Die zeitliche Differenz zwischen dem „Tanken an der Zapfsäule“ und dem „Laden an der Ladesäule“ ist an der Stelle deutlich zu erkennen. Während der Tankvorgang in unter 100 Sekunden abgeschlossen ist, dauert der Ladevorgang eine halbe bis hin zu mehreren Stunden für den ID3. Beachtlich ist aber auch die Menge der getankten bzw. geladenen Energie. Der ID3 lädt in einer deutlich längeren Zeit nur ca. 1/10 der Energie, die der Golf 8 Diesel tankt.
Die langen Ladezeiten bei Elektroautos können nicht geleugnet werden. Auch im Vergleich zur Menge an Energie, die an der Tankstelle aufgenommen bzw. gepumpt werden, hat die Elektromobilität einen deutlichen Nachteil. Ursache hierfür ist der in diesem Beitrag beschriebene Umwandlungsprozess, der im elektrochemischen Energiespeicher während des Ladevorgangs stattfindet. Zukünftige Batterietechnologien werden die Ladezeiten deutlich verkürzen.
Allerdings muss man sich die generelle Frage stellen, ob eine Reduktion der Ladezeiten überhaupt notwendig ist, denn die Elektromobilität hat einen entscheidenden Vorteil. Während ein Verbrenner auf externe Ladeinfrastruktur (Tankstelle) angewiesen ist, kann eine Ladesäule nahezu überall errichtet werden. Entweder man tankt direkt in der hauseigenen Garage, wo die längeren Ladevorgänge erfolgen können, wenn das Auto ungenutzt steht, oder man nutzt Ladesäulen während der täglichen Erledigungen. Eine hauseigene Zapfsäule für Kraftstoff in der Garage wird man hingegen kaum irgendwo vorfinden.